Sammer-Kontroverse: Willkommen im Mittelmaß

 Matthias Sammer sorgte mal wieder für Kontroversen. Er meldete sich zum deutschen Fußball zu Wort und meinte, wir müssen in Deutschland aufhören „Mittelmaß“ als Weltklasse zu verkaufen.

Sammer hat Recht. Das bestätigen auch die Statistiken. Deutschland gehört historisch aus Natur heraus zur Weltspitze. Doch seit 2014 untermauert die Männer-Nationalmannschaft und in den letzten fünf Jahren die Bundesliga-Klubs diesen Anspruch bei Weitem nicht mehr. In den letzten fünf Jahren zogen zwei Klubs ins Halbfinale der UEFA Champions League ein. Diese Saison strichen Dortmund und Bayern im Viertelfinale die Segel. Bei Europa- und Weltmeisterschaften ist die DFB-Elf so schlecht wie nie. Nachdem WM-Titel 2014 und der EM-Halbfinal-Teilnahme 2016 in Frankreich, folgte bei der WM in Russland 2018 das Vorrunden-Aus. Bei der europaweiten Euro würgte sich das Team erst ins Achtelfinale um dort gleich zu scheitern. Bei der WM in Katar 2022 schied Deutschland ebenfalls in der Vorrunde aus. In der Nations League erreichte Deutschland dieses Mal zum ersten Mal das Final Four. Einziger Hoffnungsschimmer war das Viertelfinale bei der Heim-EM 2024. Nimmt man den nicht gegebenen Elfmeter in der Verlängerung raus, fehlte Deutschland aber die letzte Klasse um den turmhohen Favoriten Spanien zu besiegen. Zusammengefasst, seit 2016 erreichte die DFB-Elf bei keinem Turnier mehr die Runde der letzten vier.

 

Auch die Olympia-Teilnahmen sind durchaus ein Indiz für den Erfolg des deutschen Fußballs. Entscheidet hierfür ist die Performance der U21 bei der Europameisterschaft. 2016 errang das DFB-Team die Silber-Medaille, 2021 in Tokio verabschiedete man sich in der Gruppenphase, für Paris konnte sich das deutsche Team nicht qualifizieren. 

Zwischen 2002 und 2014 näherte sich das DFB-Team Stück für Stück der Weltspitze an. Nachdem Debakel bei der Euro 2000 (Vorrunde), stand Deutschland bei der WM 2002 und EM 2008 im Finale. Ins Halbfinale schaffte es das Team bei der WM 2006, 2010 und bei der Euro 2012. 

Jetzt kann man natürlich sagen, jede große Nation hat mal eine Delle. Brasilien wartet seit 2002 auf einen WM-Titel. Frankreich begann erst 2014 eine neue Zeitrechnung, Spanien räumte von 2008 – 2012 alles ab, danach flachte es ab und nun zählt das Team wieder zum Kreis der Weltspitze. 

 

Doch ist das der Anspruch? Gewiss nicht. Doch dazu gehört auch klarer Blick auf die Ergebnisse. Die Bundesliga und die DFB-Elf wähnen sich wieder in der Weltspitze sind aber davon noch sehr weit entfernt. Wie wertig das Viertelfinale bei der EM 2024 war, wird sich bei der WM im kommenden Jahr zeigen. Entweder läutet das DFB-Team eine neue Ära ein oder man muss sich viel größere Fragen stellen.

 

Spaniens Erfolge vor allem bei U-Europameisterschaften lasse ich mal außen vor..

 

Doch bei den Frauen sieht es auch nicht wesentlich besser aus. Bei der WM 2015 spielte man sich bis ins Halbfinale vor, 2019 scheiterte man an Frankreich im Achtelfinale, 2023 trat das Team als Vize-Europameister nach der Vorrunde die Heimreise an. 2013 gewann Deutschland seinen achten und letzten EM-Titel. Danach folgte ein Aus im Viertelfinale (2017) und der Finaleinzug (2022). Wie die Euro dieses Jahr endet, wird sich diese oder nächste Woche entscheiden. Bei den Olympischen Sommerspielen nahm Deutschland 2016 teil, gewann Gold und 2024 in Paris Silber. Bei der Nations League wurde man in der vergangenen Saison 2023/2024, Dritter. Diese Saison hat das DFB-Team das Final Four erreicht. Womöglich wird die Endrunde sogar in Deutschland ausgetragen.

 

Und auch bei den Klubs hängen deutsche Teams in Europa hinterher. Zweimal erreichte der VfL Wolfsburg als einziger Bundesligist das Halbfinale der Womens Champions League. 2015 gewann zuletzt eine deutsche Mannschaft die Champions League (1. FFC Frankfurt). Anders als bei den Männern, hat der DFB die Frauen-Bundesliga unter seinen Fittichen. Um die Liga finanziell besser auszustatten, ist Google Pixel neuer Liganamensgeber. Jedoch verliert Deutschland immer mehr den Anschluss. In England ist seit Jahren ein brutaler Aufschwung zu merken. Auch in Spanien investiert vor allem der FC Barcelona massiv in den Frauen-Fußball, Real Madrid zieht allmählich nach. Deutschland trabt allerdings hinterher. Es geht schlichtweg zu langsam. Die Ergebnisse bei Turnieren und in der Champions League hinterlegen dies. Während vor vielen Jahren deutsche Spielerinnen im Ausland eher die Ausnahme waren, zieht es immer mehr Spielerinnen ins Ausland. Jule Brand (Wolfsburg zu Lyon), Sjoeke Nüsken (Frankfurt zu Chelsea), Sydney Lohmann (Bayern zu Manchester City), Lina Magull (Bayern zu Inter Mailand), Sara Däbritz (Bayern, Paris, Lyon, jetzt Real Madrid). Diese Entwicklung lässt sich auch bei den Männern beobachten.

 

Bei den Frauen ist der Handlungsbedarf des DFB jedoch unweit größer. Im Nachwuchsbereich räumt Spanien alles ab, was sich mittlerweile auch bei der A-Nationalmannschaft bemerkbar macht (Spanien ist Weltmeister), England ist ebenfalls massiv auf dem Vormarsch. Und auch weltweit fokussieren immer mehr Nationalverbände den Frauenfußball. 2011 schubste Japan, den Titelverteidiger Deutschland bei der Heim-WM vom Thron. Hier deutete sich schon eine erste Achsenverschiebung weltweit an. Während um uns herum massiv in den Frauenfußball, insbesondere in bessere Bedingungen, Vermarktung und höhere Aufmerksamkeit investiert wird, verharrt Deutschland regelrecht. Mit der Turbo-Geschwindigkeit können wir nicht mithalten. Manchmal beschleicht mich aber auch das Gefühl, wir wollen es nicht richtig.

 

Der DFB hat sich dem Thema zwar in einer großen Arbeitsgruppe, auch im Dialog mit den Klubs dem Thema angenehmen. Aber viel weiter ist man bisher nicht gekommen. Man wird weiter am Thema arbeiten, es herrscht Einigkeit darüber, die Liga deutlich nach vorne zu bringen. Konkrete Maßnahmen, wie einen eigenen Ligaverband (vgl. DFL) – bisher Fehlanzeige.

 

Der Zuspruch in Deutschland steigt. Die DFB-Frauen tragen ihre Länderspiele mittlerweile vor über 30.000 Zuschauern aus. In der Liga spielen die Frauen oftmals im großen Stadion (Frankfurt, Bremen, Hamburg) und auch vor dem Fernseher versammeln ich bei der Euro 2025 wieder Millionen. Es fehlt nur weiter an einem Konzept. Wieso sollte ich als Sponsor in diesen Sport investieren, wenn die Frauen-Bundesliga ein Nischen-Fernsehprodukt bleibt? Wieso ermöglichen nicht mehr Klubs einer dauerhafte Nutzung der großen Stadion, wie es jetzt der neue Champions League Sieger FC Arsenal vorgemacht hat? Fragen über Fragen. Die Antwort kann nur der DFB liefern. Die Funktionäre müssen wie es Sammer gesagt hat, einfach in den Spiegel schauen und aufzuhören, Mittelmaß als Weltklasse zu verkaufen. Weil das Potenzial und der Zuspruch sind da, jetzt fehlt es nur noch an der Umsetzung.

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